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Versachlichung: Begriff Enteignung weckt ungute Assoziationen

Das Wort Enteignung schwirrt derzeit wie eine Machete durch Deutschland. In Berlin sorgte die „Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ für heftige Diskussionen. Hier einige Informationen zur Versachlichung.

Enteignung bedeutet laut Duden-Recht A-Z: Entziehung des Eigentums oder sonstiger Vermögensrechte durch staatlichen Hoheitsakt mit dem Ziel, dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen und mit dem Anspruch auf Entschädigung. Eine Enteignung kann nur auf einer gesetzlichen Grundlage erfolgen und muss verfassungsrechtliche Vorgaben erfüllen. Dazu gehören die Art und Weise der Überführung von Grund und Boden in Gemeineigentum und die Form der Entschädigung.

In Berlin geht es nach Einschätzung des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen um einen Verkehrswert von mindestens 25 Mrd. Euro. Die Bürgerinitiative hält dagegen einen Betrag zwischen 7,3 und 13,7 Mrd. Euro für angemessen. Wieviel Wut muss in solchen Forderungen stecken, besonders wenn man bedenkt, dass dadurch gar keine neuen Wohnungen entstehen, was aber vorgebliches Ziel der Initiative ist. Offensichtlich schüren Meldungen über Milliardengewinne von Immobilienkonzernen und die angespannte Situation auf den Wohnungsmärkten eine große Unzufriedenheit.

Auch in Tübingen droht der Oberbürgermeister mit Enteignung. Allerdings will er Eigentümern nicht ihr Land wegnehmen, sondern sie vor die Alternative stellen: Bebaut die Grundstücke oder verkauft sie. Das hat eine andere Qualität. Dennoch bleibt ein Beigeschmack von Drohung und Zwang.

Tatsächlich heißt es im Grundgesetz Artikel 14: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“. Auch das erinnert ein wenig an die Macht längst vergangener Obrigkeitssysteme. Einige Konzerne entwickeln heute eine ganz andere Art von Macht, die aber nicht durch Enteignung zu kontrollieren wäre, sondern dadurch, dass die Politik Gegengewichte schafft. Wien macht seit 100 Jahren vor, wie das geht. Deutsche Städte sind damit spät dran.